Sonntag, 5. Juli 2009

Im Streitwagen – Bahndebatte Berlin-Brandenburg

Die Bahn wird zum Streitwagen, bei Deutschlands erster echter Bahndebatte; was einigen als kleiner Jux erscheint, wird schließlich ein netter Spaß. Hier ein kleiner Rückblick auf das Punkturnier am 4. Juli in der Regionalexpresslinie 1.

15 Leute huschen am Samstag um 11.18 Uhr in den Zug nach Frankfurt/Oder. Von dort geht es bis Magdeburg und wieder nach Berlin. Der Modus: Debatten vor Publikum, BPS in Dreierteams und je zwei Runden parallel. Fünf Teams, jeder gegen jeden, fünf Runden, je zweimal Opposition und Regierung und einmal wird juriert.

Die Teams aus Frankfurt/Oder, Berlin und Potsdam finden sich fix zusammen, der passendste Name: „Zugfährt Europa“ – ein Mixteam aus Berlin und Potsdam.

Einige steuern zudem Themen für den Lospool bei, so stehen unter anderem zur Wahl:

-Dieses Haus würde das Wahlrecht für Alte abschaffen
-Dieses Haus würde den Knigge zum Gesetz machen
-Dieses Haus fordert höhere Krankenkassenbeiträge für Adipöse
-Dieses Haus fordert: Kein Bier vor Vier

Kurz vor Frankfurt/Oder gibt es das Thema: Höhere Krankenkassenbeiträge für Adipöse.Während der Vorbereitung fährt der Zug wieder in die andere Richtung - dann der große Moment: Die ersten Redner treten auf. Das Publikum könnte durchaus von der Maßnahme der Regierung betroffen sein, profitiert davon die Opposition? Der Jury kann’s egal sein, denn wir sind ja nicht bei OPD oder Wartburg.

Am Anfang bleibt es ruhig, aber bei der zweiten Regierungsrede hören wir den ein oder anderen Kommentar: „Man kann nicht nur vom Rauchen Krebs kriegen.“ Die Redner binden diese Zwischenrufe ein: „Ja, und diese Leute sollen auch keine höheren Beiträge zahlen.“ Nach den Reden gibt es oft Applaus.Bei Zwischenfragen stößt man sich manchmal den Kopf, aber der Zug fährt so ruhig, dass zumindest nicht die Bahn schuld ist, wenn jemand ins Schlingern kommt.

Das nächste Thema: „Dieses Haus würde das Wahlrecht für Ältere abschaffen.“ Die demographische Zusammensetzung des Zuges scheint jedoch zu raten, auf ein anderes Thema umzusteigen, weniger oppositionslastig. Gesagt, getan. Runde Nummer zwei, Version zwei: „Dieses Haus würde die Burka in der Öffentlichkeit verbieten“ Der Zug passiert zwar Berlin, hält aber weit weg von Neukölln, also sollte es keine Probleme geben.

Bei der Debatte demonstrieren die Juroren: Zeit ist Raum; sie messen Reden nicht in Minuten sondern Stationen: „Wir sind jetzt in Groß Kreutz, die letzte Rede schaffen wir bis Brandenburg.“

In Brandenburg schließlich gibt es Mittag. Dann die nächste Runde: "Dieses Haus würde die Polygamie einführen."
Die Vorbereitung findet im Grünen statt, vorne das Team "Zugfährt Europa" hinten "Fünf Uhr Funfundfünzig" und mittig links die (n)immermüden Juroren.

Die ersten Plädoyers gibt es im Hain vor dem Bahnhof, der Abschluss im Anschluss nach Magdeburg. Die zustimmende Reaktionen aus dem Publikum verteilen sich recht gleichmäßig auf Opposition und Regierung. Kein Redner kommt sosehr in Fahrt, dass er oder sie nicht Rücksicht auf die anwesenden Kinder nimmt, es geht eher um weniger Steuern als um mehr Sex.

Von Magdeburg zurück nach Berlin heißt es: „Dieses Haus würde Autos am Straßenrand liegen lassen.“ Der spannende Moment: Ein Polizist bahnt sich den Weg zu einem Sitz. Sollten wir mit ihm debattieren, ob das Grundrecht der freien Rede das Grundecht der ungestörten Zugfahrt aufwiegt? Aber er nimmt Platz und lässt sich nichts anmerken; wir führen ja auch keine Reden, die die Öffentlichkeit erregen (Was aber, wenn das Thema hieße: „Kein Bier vor vier!“? - Wir wissen es nicht.)

Die letzte Runde: Dieses Haus fordert, dass der freie Markt nicht durch Menschenrechte behindert wird. Wer glaubt, mit Menschenrechten ließ sich kein Hund hinter dem Ofen vorlocken, der unterschätzt das Publikum, immer wieder luken Fahrgäste zu uns und sagen: "Wir wollen zuhören."

In Berlin erreichen wir das Ende der Debatten und das schlechte Wetter, statt Grillen und Finale im Park gibt es Pizza in der Trattoria und manches Bier – es war ja auch nach Vier.

Der Blick aufs Tab offenbart „Die Drei von der Zankstelle“ als führend; die Potsdamer Jana Bachmann, Florian Umscheid und Mathias Hamann hatten alle ihre vier Debatten gewonnen und werden somit Sieger der ersten deutschen Bahndebatte.

Insgesamt war es ein schöner Spaß und es bleibt nur zu sagen:

Danke an alle für’s Mitmachen und an Bastian Laubner für’s Tab.

4 Kommentare:

  1. Zitat "Der Modus: Debatten vor Publikum, BPS in Dreierteams ..."
    Wie kann man denn nur so verbohrt eitel sein?
    Versucht es doch bei der Ausgangslage einfach mal mit OPD! *seufz*

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  2. Ich muß da leider enttäuschen, denn es waren praktische Probleme nicht Eitelkeit, die uns zu BPS zwangen.

    1. War die ganzen Sache in BPS geplant
    2. Daher hatten wir keine OPD- oder Wartburg-Bögen dabei
    3. Hatten wir Leute ohne Jurierseminar-Ausbildung dabei und es ist ohne Bogen leichter BPS als OPD zu jurieren, zumal manch Juror allein war

    4. Für OPD fehlten zudem die freien Redner und bei Wartburg – was wenn das Publikum eine Partei zu sehr unterstützt oder ausbuht?

    Da blieb für uns nur BPS.

    OPD und Wartburg sind natürlich auch ganz prima Formate, deren Schöpfer und Liebhaber, können sicher sein, dass die obigen kleinen Frotzeleien nur von Sympathie zeugen. Was sich liebt, das neckt sich ja.

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  3. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  4. Welcher der vier genannten Punkte spricht noch mal ausdrücklich für BP? (Ich dachte, es war ein Punk ohne große Planung.)

    Aber trotzdem: Die Grundidee ist super! Und Glückwunsch an die neuen und ersten Oder-Börde-Express-Master, denen von nun an trotzdem kein Sitzplatz reserviert sein wird. (Und das Fahrrad bleibt trotzdem draußen.) ;-)

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